Tag 13: Das Interview

Heute hatte ich mein Interview bei den Behörden in Changsha. Es geht um nicht mehr als um meine permanente Aufenthaltserlaubnis und um die Arbeitserlaubnis. Interview hört sich vielsagend an. Vor allem so, dass wenn dem Beamten mein Gesicht, vor allem die lange Nase nicht gefällt, ich sofort wieder ausreisen muss. Tag 13, ich hoffe, dass es sich hier nicht um ein unglaublich schlechtes Ohmen handelt!

Muss man da vielleicht aus dem Buch des großen Einheitsparteivorsitzenden vorlesen? Oder gar frei zitieren können? Muss die Internationale auf chinesisch oder darf sie auch in deutsch gesungen werden? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort bekam, da die verantwortliche Human Ressource Kollegin in Shanghai und nicht in Changsha sitzt. Sie kannte schlicht und ergreifend das Prozedere nicht. Naja. Human Resources hat ein Interesse daran, dass alles gut geht. Dann lassen wir sie machen.

Nun hieß es plötzlich, dass ich mich auf das Gespräch vorbereiten sollte, dass aber niemand der Personalabteilung mitkommen könnte, sondern, dass eine Praktikantin das Thema übernehmen wird. Hmmm, Bibel? Internationale? Sangeseinlage? Naja, wird schon klappen. Auf Grund der Wichtigkeit des Themas wurde mein kompletter Vormittag geblockt, um mich voll und ganz dem Interview widmen zu können.

Punkt 9:00 Uhr holte mich der Fahrer ab. Die Personalerin auch schon dabei, die Spannung steigt. Wir fahren von Kaifu in den westlichen Teil Changshas, Yuelu, über die Brücke. Wir sind da, biegen ein auf den Hof der Behörde. Die Luft knistert vor lauter Anspannung. Der Personalerin: Nervös. Wir gehen hoch in die Abteilung in der das Interview geführt werden wird. Eine langer Schalter mit ca. 10 Polizisten eröffnet sich uns. Wahrscheinlich ist jeder einzelne darauf trainiert mit seinen Augen die gleiche Aufgabe wahrzunehmen, wie in den USA die Lügendetektoren. Jeder der Beamten spricht, obwohl es kein Fester vor ihnen gibt, durch ein Mikrofon in einen kleinen Lautsprecher hinein. Gerade so, wie früher auf der Post oder an so manchem Bankschalter. Vielleicht hat man ja nur die Scheibe vergessen einzubauen, schießt es mir durch den Kopf. Oder? Naja.

Wie auf dem Arbeitsamt wird eine Nummer gezogen. Und? Wir sind sofort dran zum Vorsprechen. Keine Zeit mehr für die Personalpraktikantin nervös zu sein und sich auf eine äußerst akkurate Übersetzung vorzubereiten. Sie setzt sich vor den Beamten, um ihm das Anliegen näher zu bringen. Er schaut sie an, dann mich, dann wieder sie. Und fängt an Papiere heraus zu kramen. Sie übergibt ihm meinen Pass. Aja, jetzt weiß ich auch, wo der nun abgeblieben ist. Papiere über Papiere werden ausgefüllt, eine Barcode auf einem Aufkleber von einer langen Rolle genommen, gescannt, auf eines der Papiere aufgetragen. Wichtige Vorgänge zu jeder Millisekunde.

Die Praktikantin steht plötzlich auf und gibt mir den Stuhl frei. Nun ist es wohl soweit. Das Interview kann beginnen. Ich muss zuerst eine Unterschrift leisten, dann noch eine. Wahrscheinlich steht auf dem Zettel, dass ich mich mit 30 Jahren Haftstrafe bei Zuwiderleistung einverstanden erkläre und auf einen Prozess gänzlich verzichtet werden kann. Man weiß es ja nie so genau. Ein Foto für die Unterlagen muss ich noch überreichen (davon war mal wieder keine Rede bei der Personalabteilgun, ich bin froh, dass ich gleich die 3fache der geforderten Menge herstellen ließ). Und ein digitales Foto wird über eine kleine Webcam geschossen. Dann, der spannende Moment. Er schaut mich an, mustert mich für gefühlt keine viertel Sekunden und …

Nein, kein Ton. Außer der eines hernieder donnernden Stempels. Er überreicht die Papiere und wünscht mir einen guten Tag.

Ergebnis: Es stellt sich raus, dass das Interview kein Interview ist, sondern nur die Abholung meines Arbeitsvisums und die gleichzeitige Beauftragung der Aufenthaltsgenehmigung. Nichts weiter. Vorbereitung auf dieses “Interview” völlig unmöglich.

Ich glaube, ich werde mit der Personalabteilung noch viel Spaß haben.