Der Chinese, der eigentlich Europäer sein will

Gerade durch den wirtschaftlichen Aufschwung der vergangenen Jahre beflügelt, strotzen die Chinesen vor Selbstvertrauen. Zurecht. Was hier binnen kürzester Zeit geschaffen wird, darauf kann man zurecht stolz sein (von dem einen oder anderen baulichen Mangel wollen wir heute mal nicht schreiben). Gerade am Beispiel von Changsha kann man sehr gut die Entwicklung und vor allem die schnelle Entwicklung einer Stadt im Aufbruch nachvollziehen.

Überall sieht man Plakate von aus der Erde schießenden Stadtvierteln. Oftmals mit toller Architektur der Gebäude. Dazu zumeist eine sehr elegante Frau oder ein sehr eleganter Herr, die jeweils mit viel Elan den neuen Tatendrang und den Aufbruch verkörpern. Natürlich alles im Großformat. Wie im folgenden Beispiel:

Wenn man sich die Szenerie etwas genauer ansieht kommen einem Zweifel ob das alles so zusammenpasst oder ob das PhotoShop mal wieder mit dem ein oder anderen Designer durchgegangen ist. Nachdem die Plakate oft direkt an der Straße hängen und die verpixelten Details großformatig, prominent vor einem dargestellt werden, sieht man den ein oder anderen Bruch in der Darstellung. Ich spreche nun nicht von der Perfektion des PhotoShoppings, sondern vom Inhalt.

Wie hier:


Was kann man erkenne? Europäische Menschen und europäische Autos und vor allem, wenn auch gespiegelt, ein Stuttgarter Kennzeichen. Die Darstellung ist pathologisch für viele der Werbebotschaften in diesem Land. Wer cool sein will, wer gebildet ist, wer Reichtum angehäuft hat, wer In ist, ist europäisch. Zumindest angehaucht. Gefärbtes Haar, europäische Klamotten, alles, was der verheissungsvolle Westen zu bieten hat.

Auch Bilder von angeblichen bekannten stehen ganz hoch im Kurs. Ob heimlich gemacht oder nach einer Frage, Bilder von Martina und mir gibt es mittlerweile zu Hauf. Und wie uns Kollegen erzählen, werden diese dann im Kreise der Bekannten und Familie gezeigt, um sich mit seienen europäischen Freunden zu präsentieren. Einziges Thema daran: Martina und ich kennen die Leute gar nicht.

So viel China in den letzten Jahren geschafft hat, so groß ist doch die Angst vorm Anderssein. Man will dazugehören. Man will nicht mehr anders sein. Eigentlich wäre man gleich am liebsten Europäer. Feiert Weihnachten und Neujahr, was natürlich nicht gerne gesehen wird, und fährt bevorzugt europäische Automobile.

Schade, denn trotz der vielen Eigenarten, die wir hier beschreiben, denken wir, dass der Chinese genau so richtig ist, wie er ist. Vielleicht findet er das in ein paar Jahren auch.

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